29.08.2013 Samuel P. Taylor State Park – San Francisco

Was für ein Tag – unsere Gefühle fahren Achterbahn…

Wir treten heute unsere letzte Etappe an, es geht über die Golden Gate Bridge nach San Francisco. Wie lange haben wir uns alle auf diesen einmaligen Moment gefreut! Die Kinder stehen ohne Probleme auf, sie sind top motiviert heute endlich die Brücke zu sehen. Die Sachen werden gepackt und wir wollen zu unserem Frühstück schreiten – aber oje, da ist nichts mehr… Die Tasche, gut verschlossen und Wasser- wie auch Luftdicht, liegt vor der Aufbewahrungsbox des Campgrounds – nicht mehr gut verschlossen, schon gar nicht mehr Wasser- oder Luftdicht! Wir haben unser Essen wie auf allen Plakaten beschrieben in die das Holzhäuschen gelegt, so dass keine Tiere ran kommen. Alles gut soweit. Aber es sind clevere Tierchen in diesem Wald. Die Racoons, also Waschbären haben wohl ihre Taktik und wissen wie sie in diese Holzkisten kommen. Auf jeden Fall sind unsere 6 Bagels und 2 Äpfel, wie auch der Rest des herrlichen Apfelkuchens von Rick und Bryan nirgends zu sehen. Spurlos verschwunden… Sogar unser so weit mittransportiertes und dem Schweizer in die Küche gehörendes Aromat ist leer, die haben wohl die Bagels damit ein bisschen nachgewürzt. Kein Frühstück also…

Somit sind wir früher auf der Strase als gedacht und ziemlich alleine. Die ersten Kilometer können wir auf einem tollen Bikeweg fahren, inmitten wohl mehrere hundert Jahre alter und riesigen Redwoods. Schon bald finden wir in einem kleinen Dörfchen einen Einkaufsladen wo wir einen Kaffee, Schokomilch, Orangensaft und ein paar Gebäcksachen finden. Aha, wir kommen entweder näher nach San Francisco, oder die leben hier einfach von nichts ahnenden Touristen. Die Preise verdreifachen sich fast… Kein Problem, meine Kreditkarte ist noch nicht gesperrt 🙂

Die Fahrt geht auf Fahrradwegen oder Fahrradstreifen weiter gegen Süden weiter. Es ist sehr feucht und ziemlich warm, bei jeder Bodenerhebung tropfe ich wie ein Schwamm der ausgequetscht wird. Bei einer Abfahrt – zack und autsch, schrei und brems, stopp und noch mehr autsch… Nicht schon wieder! Diesmal ist mir eine Wespe (sehr wahrscheinlich) an den Hals geprallt und noch wahrscheinlicher mit Stachel voran. Diese Viecher werden langsam zu meinen Feinden! Etwas Salbe und weiter, dieses kleine Ding soll mir nun nicht noch den Tag verderben. Im nächsten Dorf suchen wir ein Telefon, die sind hier nicht mehr so leicht zu finden. Die meisten wissen wohl nicht mehr, dass es solche Apparate früher auch ausserhalb der Hosentasche gegeben hat. Wir wollen uns bei unseren Freunden, bei Alani und Dan anmelden. Ja, wir besuchen Alani, meine Host-Schwester während meines USA Aufenthaltes im 1994.

Bei einem Country Store finden wir einen solchen Apparat wo man ein paar Münzen rein werfen und danach für 4 Minuten mit jemandem sprechen kann. Wir melden uns für zwischen 16.00 und 17.00 an. Es wird dann punkt 17.00h bis wir eintreffen! Wir checken unsere Emails und nun geht die Achterbahn-Fahrt los. Wie wir im vorderen Bericht geschrieben haben, haben wir erfahren, dass ein guter Freund nach langem Kampf von uns gegangen ist. Wir sitzen alle in Tränen und Gedanken auf der Bank vor einem nicht erwähnenswerten Laden. Ein paar Leute suchen das Gespräch mit uns, aber uns ist nicht wirklich zum Erzählen zumute. Auch mit dem netten Zürcher, welcher hier wohnt wollen wir nicht so wirklich quatschen. Sorry ihr lieben Leute auf der Strasse, aber hier konnten wir einfach nicht. Wir versuchen die schluchzenden Kinder doch wieder auf das bevorstehende Ereignis einzustimmen und widmen unsere Fahrt über die Golden Gate Brücke unserem Freund “Diggu”.

Es geht weiter in Richtung Sausolito und als wir an einer Kreuzung auf unsere Karte schauen, hält ein “Gümeler” neben uns an und fragt ob er helfen kann. Er versucht es nicht lange mit erklären, sondern fährt ein paar Kilometer voraus um uns den Weg zu zeigen. “Thank you very much” sagen wir unten an einer Steigung, er fährt links weg und wir müssen diesen Berg hoch. Na ja, heute kann uns nichts mehr erschüttern und schon bald sind wir tropfnass oben. Nun sehen wir viele teure Häuser an den Hängen und der Nebel wie er vom Pazifik her über die Hügel drückt. Ganz kurz sehen wir die oberste Spitze eines Pfeilers der Brücke, mehr nicht. Eine schnelle Abfahrt und bald schon sind wir im Touristenort Sausalito. Hier stehen einige Yachten, wahrscheinlich sind die Schönen und Reichen hier um den Final des Americas Cup mitzuerleben. Jedenfalls steht die 115 Meter, 6 Stockwerke Yacht “Luna” mit zwei Helilandeplätzen und sogar einer Heligarage vom Multimilliardär Roman Abramowich hier. Es ist nicht seine grösste Yacht, aber gar nicht so übel… Es wimmelt auf den Strassen von Mietfahrrädern und nicht geübten Radfahrern, der Autoverkehr ist wie an der Côte d’Azur.

In einem kleinen Burger-Laden essen wir feine Hamburger bevor wir die Fahrt zur Brücke antreten. Wir treffen noch eine schwedische Familie, welche in Bern ihre Wohnung aufgegeben haben und seit gestern auf Weltreise sind. Sie haben geplant acht Monate zu reisen, doch nach der Buchung der Reise hat sich erneut Nachwuchs angemeldet. Nun werden sie wahrscheinlich “nur” vier Monate unterwegs sein… So, nun aber los zur Brücke. Noch einmal einen Hügel rauf – die Touris mit den Mieträdern schieben diese natürlich – und schon stehen wir vor ihr. Wow, welch ein Gefühl, wir sind DAAAA! Wir drängen uns zwischen den Touristen an die vorderste Front und lassen von uns ein Bild machen. Wir können es nicht richtig einordnen, die Gefühle schwanken zwischen Freude, Stolz, Wehmut, Trauer und Zufriedenheit. Wir freuen uns und sind sehr stolz auf das Geleistete. Die Wehmut, dass nun die Tour vorbei ist macht sich breit. Die Trauer um unseren Freund und seine Familie. Und die Zufriedenheit, dass wir unseren langjährigen Traum erfüllen durften.

Und an dieser Stelle danken wir allen Leserinnen und Leser, dass ihr uns mit euren Gästebucheinträgen oder Emails so sehr motiviert und erfreut habt. Auch für die Gratulationen danken wir euch ganz herzlich. Wir haben uns immer riesig gefreut etwas von euch zu lesen. DANKE!!!

Um noch einen besseren Blick zu erhaschen fahren wir noch einmal eine ziemliche Rampe hoch. Hoch über der Golden Gate Bridge stellen wir uns noch einmal hin und lassen uns fotografieren. Wir haben einen perfekten Tag erwischt, Sonne und nur ein wenig Nebel, Temperatur angenehm… Es geht wieder runter und auf der Abfahrt treffen wir ein paar Tourenradler die wir schon gestern angetroffen haben, und wir verabschieden uns nun definitiv von ihnen. “Also, kommt jetzt auf die Brücke”, tönt es vom Frontsitz. Wir treten DIE Fahrt an, mit Genuss und in Gedanken an Diggu. Viele Fussgänger und Radfahrer sind auf der Brücke. Aber es ist lange nicht so schlimm, wie uns immer gesagt wurde. Oder sind wir wohl so breit und gross, dass uns alle Platz machen? Anyway, wir kommen gut durch und in der Mitte stoppen wir und gedenken unserem Freund! Es ist sehr laut von der 6 spurigen Autostrasse mit ununterbrochenem Verkehr. Aber wir vergessen alles um uns herum, schauen aufs Meer hinaus und denken nur an unseren Freund.

Wir nehmen die Fahrt wieder auf und schon bald sind wir in San Francisco. Auf dem Bikeweg spricht uns ein einheimischer Radfahrer an und fragt, wo wir hin wollen. “I don’t know, somewhere in the middle of the city” sage ich “I need WIFI to get the address”… Ohne Internetzugang weiss ich nur die ungefähre Richtung aus Google. Kommt mit, wir gehen runter zum Bikeshop. Dort erhalten wir den Code fürs WIFI und beste Auskunft wie wir fahren sollen. Auf den Karten sieht man die Steigungen nicht, und das kann in SF schon fast tödlich sein… Es wird uns alles erklärt uns Steven, der Radfahrer sagt: “ach was, ich zeige euch den Anfang des Weges”. Er fährt voraus und steil hoch durchs Presidio, der früheren Army Basis. Dank Clinton ist dieses Gebiet nun ein geschützter Park und darf nicht überbauen werden. Sehr schön, aber steil… Ganz oben erklärt uns Steven die restliche Strecke und sagt plötzloch “ach was, ich zeig’s euch”. Er fährt noch einige Kilometer mit uns mit, ganz tolle Fahrradwege durch den Golden Gate Park und weiter durch einen anderen Park mitten in die Stadt. Alles Bike Lanes und wirklich toll ausgebaut für Velofahrer. Ca. 2 Kilometer vor unserem Ziel verabschieden und bedanken wir uns bei Steven und setzen die Fahrt fehlerfrei und direkt vor’s Haus von Alani fort.

Welch eine Freude sie nach 12 Jahren wieder einmal zu sehen. Die Kinder hatten wir damals noch nicht und die beiden Alanis sehen sich zum ersten Mal. Unsere Alani bemerkt sofort, dass die US-Alani auch ganz viele Locken hat. Also eine weitere Ähnlichkeit 🙂 Wir verstauen unsere Bikes in der Garage und nehmen als erstes eine Dusche. Die Küche ist mit Zeichnungen von Lorin und Alani geschmückt, Zeichnungen die wir vor einem Jahr zur Hochzeit geschickt haben. Und es wird uns versichert, diese Zeichnungen hängen auch sonst da! Nun ein Glas Wasser, ein Bierchen und ein Apéro. Dan, Alanis Mann, kommt später nach Hause und wir öffnen zusammen einen Champagner zu unserem Tourende – Prost! Wir essen ein feines Chili zum Abendessen, zusammen mit der Schwester von Dan.

Ein schöner, gemütlicher Abend – uns geht es gut!

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PS: Heinz, der FC Thun wurde innerhalb einer Stunde von ca. 4 – 5 Personen erwähnt – hier in San Francisco! Dieses Bild haben wir für dich und “deinen”Klub geschossen! Es soll dem Team Glück bringen!