27.08.2013 Winters – Sebastopol

Ein über 100 km Tag mit einigen Höhenmetern.

Es ist bereits 23.10h ich habe müde Beine und bin sonst auch müde. Alani und ich schlafen in einem kuscheligen Bett unter freiem Sternenhimmel bei Brian und Rick. Die beiden haben uns an einem heissen aber auch gewitterigen Tag in Utah – es war am 28.07., also fast vor einem Monat – in einem schweren Aufstieg Wasser und feines Gebäck gegeben. Am Abend sind sie dann extra noch zum Campingplatz gefahren um nach unserem Wohlbefinden zu fragen. Nun sind wir also bei ihnen zu Hause, haben ein wunderbares Candlelight Dinner gegessen und feinen Wein getrunken. Ariane als bekennende nicht Fisch Esserin und Lorin haben sogar ein grosses Stück dieses hervorragenden Wildlachses gegessen! Natürlich mit guter Unterhaltung und Geschichten von unterwegs. Und nun sind wir eben unter freiem Himmel bei kühlen Temperaturen auf ihrer grossen Terasse in diesem super bequemen Bett. Aber ich bin fast zu müde zum Schreiben – bitte verzeiht mir, ich werde es später nachholen…

Wir sind top fit, uns geht es bestens und morgen werden wir den Pazifik endlich sehen!

…habe gerade gemerkt, dass mir eine Stunde Arbeit von gestern verschwunden ist. Ich werde später versuchen dies noch einmal zu schreiben, sorry!

Ich versuche es noch einmal… Also, wir verlassen Winters nicht zu spät, um 7.15h sind wir auf der Strasse. Die Strasse schlängelt sich durch das schöne Tal, bis zur Staumauer. Kein Verkehr, frische und kühle Luft und unten an der Mauer stehen wir vor einer ziemlichen Steigung. Diese Mountain Range müssen wir überqueren, daran kommen wir nicht vorbei. Schon wie halbe Profis nehmen wir es gelassen und schnaufen den Berg hoch. Nicht einmal 10 Minuten später stehen wir neben der Staumauer und schauen auf den ruhigen See hinaus. Die Strasse führt entlang des Sees, steigt aber immer noch an. Wir wundern uns, dass uns so viele Leute vom Verkehr gewarnt haben – bis jetzt war da noch kaum etwas auf der Strasse. Wir können uns aber vorstellen, welch Trubel und Juhee hier oben los ist an einem Wochenende. Der Hafen ist ziemlich gross und da gibt es auch eine grosse Bootsrampe. Das wäre wohl etwas zu viel mit all den Pickup’s mit Bootsanhängern etc. auf dieser Route.

Nach einigem hinauf radeln machen wir im Schatten eines Baumes eine kurze Pause, direkt am Strassenrand. Und das gefällt einer gestressten Lady überhaupt nicht. Sie schüttelt wie wild ihre blond auftoupierten Haare und händelt wie wild vor sich hin. “Schau besser wo du hin fährst” denke ich und schon ist sie verschwunden. Der Verkehr nimmt etwas zu, aber immer noch ist es ruhig und nicht allzu schlimm. Die Steigung nimmt noch einmal etwas zu, da haben wir also doch noch einmal eine ziemlich harte Nuss zu knacken. In einem Stück drücken wir uns ganz hinauf und freuen uns schon auf die Abfahrt. Heja, es geht ziemlich steil und vor allem sehr kurvig runter. Das macht riesigen Spass und wir fühlen uns fast wie auf einem Motorrad – rein liegen und die Kurve schön durchziehen.

Und schon sind wir in den Rebbergen vom Napa Valley. Kurz vor der Stadt Napa plaudern wir mit zwei Radlerinnen und sie raten uns im nahen Bikeshop eine Fahrradkarte zu kaufen. Das machen wir sofort und wir werden vom Fahrradmechaniker auch super gut beraten wo wir am besten durch fahren. Ok, vielleicht ist es im Nachhinein nicht mehr so super gut. Aber dazu später mehr… Draussen treffen wir eine Verantwortliche des lokalen Fahrradklubs, beim Blick auf die Karte schaut sie uns verwundert an und kann uns kaum eine Auskunft geben. Ich glaube dieser Fahrradklub radelt seine Kilometer im Fitnesscenter auf den Hometrainers 🙂 Die Karte stellt sich bis zuletzt als Richtungsweisend, nicht aber als Fahrradfreundlich dar.

Aber zuerst essen wir unsere Sandwiches und nehmen die restlichen ca. 50 Kilometer in Angriff. Wir dachten, Rick und Brian wohnen in Sonoma, aber sie wohnen einige Meilen weiter in Seabstopol. Also los, ein langer Weg wartet auf uns. Die ersten paar Kilometer sind auf Strassen ohne jeglichen Verkehr, aber dann drehen wir einerseits gegen den aufkommenden Westwind und andererseits auf die Ausfahrtsstrasse des Freeways. Wow, nun können wir nicht mehr zusammen sprechen, wir schreien uns fast die Kehlen raus damit wir verstehen was wir sagen wollen. Es ist fürchterlich laut und extrem befahren. Ungefähr Bern – Thun an einem Freitagabend um 17.00, aber auf nur zwei Fahrbahnen… Iiiks, das gefällt uns ganz und gar nicht! Die Rebberge links und rechts müssen kaum mehr gespritzt werden, die kriegen genug Gift von den Autos. Und dieser Wind, der reisst mir noch den letzten Nerv aus und ich schreie mir zwischendurch den Frust regelrecht in die Welt hinaus. Alani erschrickt zeitweilen so fest, dass sie fast aus ihrem Sitz fällt. Und nun kommen noch die Hügel. Damit aber nicht genug, jetzt endet auch noch der Seitenstreifen, so dass wir nun wirklich auf der Fahrbahn radeln. Grausam, aber da müssen wir durch! Für mich verdunkeln sich die Wolken noch einmal kräftig. Bei einem steilen Aufstieg verklemmt sich auch noch meine Kette und jetzt flippe ich richtig aus. Die dick verölte, fettige und kohlenschwarze Kette reisse ich mit beiden Händen so voller Wucht aus den Kettenblättern. Aber die will nichts von “sich lösen” wissen. Im Gegenteil, sie verklemmt sich noch mehr und ich schneide mir inmitten der dicken Schmiere noch den Daumen auf. Blut in der schwarzen Fetterei sieht eigentlich gar nicht unschön aus, aber der Dreck sollte sich nicht mit meinem roten Lebenssaft vermischen – hab ich mal gelernt.

Ich atme dreimal tief ein und schaue mal an, was eigentlich eingeklemmt ist. Ariane wartet derweil geduldig etwa hundert Meter weiter oben bei einer Abzweigung. Ich sehe, dass mit einem lockeren und sanften Griff die Kette aus ihrer verhängnisvollen Lage befreit werden kann und schwupps, sie ist wieder dort wo sie sein sollte. Die schwarzen Hände reibe ich ein bisschen auf dem Asphalt sauber und weiter geht’s. Ariane erwartet mich, fragt was los war und sieht das tolle, schwarz-rote Kunstwerk an meinem Daumen. Ich will weiter aber bei ihr kommt die Mutter und Ehefrau zum Vorschein – das muss verarztet werden. Raus mit dem Erste-Hilfe-Täschchen und putzen der Wunde mit saubereb Desinfektionstüchern, ein halber Liter Desinfektionsmittel drauf und einpflastern so dass man meint, mein Daumen hängt nur noch an einem Faden. Ok, vielen Dank und jetzt aber weg von hier…

Entnervt aber auch erlöst dass wir noch leben, biegen wir in die Strasse wo Rick und Brian wohnen ein. Ein lautes “Grüezi” ertönt aus einer Einfahrt und wir bremsen hart. Eine Frau fragt uns von wo wir kommen und sagt in englisch, dass ihr Vater aus dem Appenzell kommt und die Mutter Deutsche ist. Sie selber spricht nur englisch. Da kommt auch schon die Mutter daher und sie erzählt ins Einiges über ihren Werdegang. Ja, sehr nett und gut, wir könnten und möchten auch noch lange zuhören, aber Rick und Brian erwarten uns sicher schon. Also, wir radeln in ihre Einfahrt und sehen gerade noch wie Brian mitsamt dem Mückengitte aus dem Gästehäuschen stolpert – und wir alle lachen erst einmal ganz laut und herzhaft los. Welch ein lustiges Ankommen!

Die beiden empfangen uns herzlich in ihrem kleinen Paradies. Sie wohnen in einem kleinen aber wunderbaren Häuschen, mit einer riesigen Holzterrasse auf dem ein Töpferatelier, ein Bett, eine Badewanne und ein Brunnen steht – mit vielen Pflanzen dazu. Auf der Terrasse liegen Teppiche und man fühlt sich drinnen und draussen zugleich. Im Haus steht ein wunderbares Apéro, geschmückt mit essbaren Blumen, bereit. Chips mit vielen verschiedenen selber gemachten Dipps, Oliven, eingelegtes Gemüse aus dem eigenen Garten und Brot. Dazu ein feines Bier für mich, Ariane kriegt einen feinen Weisswein und die Kinder verschiedene Biogemüse- und -fruchtsäfte. Jau, wie fein ist das jetzt? Lorin und Brian spielen zusammen ein Spiel und wenn Brian mit seinem herzhaften Lachen beginnt, dann kugelt es Lorin fast vor lachen. Das wiederum regt Brian weiter an und er lacht noch einmal mehr, was wiederum Lorin kaum aushält etc. etc. Nach der erfrischenden Dusche, von welcher aus man in den Essraum sieht, setzen wir uns zusammen mit Jeff, dem Bruder von Brian, an den herrlich gedeckten und mit Blumen und Kerzen geschmückten Tisch. Rick präsentiert einen wahnsinnig feinen Wildlachs, eine riesige Lachsseite. Dazu Reis und ein herrlicher Salat, wieder mit diesen essbaren Blumen. Lorin und sogar Ariane essen eine richtige Portion von diesem Lachs und sie haben es wirklich sehr gerne. Alani getraut sich nicht mit dem Fisch und erhält feine Pesto-Tortellini. Wow, mit einem herrlichen Weisswein ist dieses Nachtessen etwas vom besten was wir hier in den USA je gegessen haben!

Ein harter und gefährlicher Tag mit einem unglaublich tollen Ende in bester Gesellschaft. Alani und ich schlafen unter freiem Sternenhimmel mit dicken Decken zugedeckt. Wunderbar und erfrischend. Ariane schläft mit Lorin im kleinen Gästehäuschen. Wir schlafen alle tief und fest – und träumen wohl schon von der Golden Gate Brücke.

Es geht uns blendend!