26.08.2013 Davis – Winters

Ein gemütlicher Tag…

Erst einmal will ich noch etwas nachholen, was ich gestern vergessen habe zu schreiben. Als wir gestern aus Sacramento raus gefahren sind, hält plötzlich ein roter Pick-up Truck neben uns. Das Fenster war geöffnet und der Fahrer ruft uns zu: “Hey, ich hab euch gesehen im Internet. Habe den Newsletter von Adventure Cycling Association, (die Organisation von welcher wir die Radkarten für unsere Tour haben) gelesen und eure Story gelesen. Wow, und nun treffe ich euch auf der Strasse, kann ich was für euch tun, soll ich euch etwas einkaufen gehen?” Es ist extrem, wie freundlich und hilfsbereit hier die Leute sind. “Vielen Dank, wir haben frisches Wasser und wir sind ok…”.

Was ich auch vergessen habe zu schreiben ist die unglaublich velofreundliche Stadt Davis. Sie hat mit zwei anderen Städten in den USA die “Platinum” Auszeichnung für ihre Radfreundlichkeit. Davis ist eine Universitätsstadt und die Radwege sind fast besser ausgebaut als die übrigen Strassen. Wir sind sogar durch “Rad-Kreisel” gefahren. Super, da könnte ich auch noch studieren, es würde mir gefallen! Mal schauen, welches Studium hier angeboten wird, vielleicht…

Und noch das Dritte, was ich nicht wirklich vergessen habe und auch im heutigen oder eigentlich in jedem Bericht schreiben könnte: Ihr seid einfach spitze. Wir freuen uns jeweils so extrem über eure Gästebucheinträge oder Emails! Ihr könnt euch nicht vorstellen welch Spannung wir jeweils haben wenn wir am Morgen oder unterwegs einen Zugang zum Internet haben. Es ist so toll etwas aus der Heimat, von Familie und Freunden zu lesen – vielen, vielen Dank euch allen!

Ah und noch das Letzte vor meinem neuen Bericht: ich wurde gefragt, ob ich der jüngste Ritschard bin oder nicht doch Lorin resp. ob Lorin einen anderen Nachnamen hat 🙂 Denn ich habe ja geschrieben, “…wer Ritschard’s Jüngsten kennt, der weiss, dass der niemals das Essen stehen lässt” (oder so ähnlich). Ist natürlich eine berechtigte Frage. Antwort: bei Lorin steht auch “Ritschard” im Pass (puuh, Glück gehabt) 🙂 Ich habe natürlich von meiner Generation geschrieben, d.h. ich bin der Jüngste von drei Geschwistern, das Nesthäckchen also. An dieser Stelle ganz herzliche Grüsse an meine liebe Schwester Anette und den grossen Bruder Christoph, ich freue mich auf das nächste Geschwisterntreffen 🙂

Also, alle Fragen geklärt (hoffentlich, sonst schreibt uns) und alle vergessenen Stories geschrieben, wir können mit heute beginnen…

Matt und Phillys sind schon aus dem Haus als wir aufstehen. Es ist dennoch erst 6.45h. Wir packen unsere Sachen, räumen alles noch schön auf und schliessen das Haus NICHT ab. Einfach Türe zu, das ist schon ok. Ha wer sagts denn, die Amis sind nicht so gefährlich wie man immer in den News sieht… Wir fahren ein paar Kilometer auf dem tollen Radweg zurück in die Studentenstadt. Alani fragt, warum es denn hier an jeder Ecke und auch zwischendrin so viele Cafes gibt. Ja wieso denn? Ich glaube, studieren in den USA – wobei das ist ja auch bei uns zu sehen – ist ganz toll. Das hat sehr viel mit gemütlich Kaffee trinken, mit Plaudern, Diskutieren und einfach Zusammensein zu tun. Ach, ich werde doch auch noch Student… Wir setzen uns auf die Veranda eines kleinen Häuschens wo wir feinen Kaffee und noch feineres Gebäck erhalten. Der Besitzer flippt fast aus als er unsere Story hört – übrigens treffen wir ihn heute Abend in der nächsten Town wieder. Und da flippt er noch einmal fast noch mehr aus!

Ganz langsam und wirklich geniesserisch radeln wir über den Universitätscampus, viele Studenten trudeln wohl aus den verschiedenen Cafes und wohl auch zu spät von allen Seiten ein. Wir fahren aus der Stadt und folgen noch mehrere Kilometer dem Veloweg. Bei der Abzweigung und dem Ende des Veloweges biegen wir in eine noch ruhigere Strasse ein. Nun fahren wir in endlosen Plantagen von Avocadobäumen – wir vermuten jedenfalls, dass es Avocadobäume sind. Kilometerlang und in Reih und Glied stehen diese Bäume regungslos hier und tragen tonnenweise Früchte. Zwischendurch sehen wir ein bereits geerntetes Tomatenfeld, wobei sicher noch hunderte von Tonnen Tomaten rum liegen. In einer rechtwinkligen Kurve ist wohl ein voll gefüllter Tomatenlastwagen etwas zu schnell gefahren. Dort liegen ziemlich viele Tomaten am Boden unter Avocadobäumen – und wir suchen uns einige noch gut erhaltene Exemplare raus. Lorin und ich nehmen die anderen Tomaten und lassen sie so richtig mit Wucht auf die Strasse brettern. Ha, nicht eine Schneeballschlacht, sondern eine Tomatenschlacht findet hier statt. Wobei wir nicht gegeneinander schiessen, sondern eben mit kindlicher Freude die Strasse zupflastern. Spass muss sein!

Schon bald treffen wir in Winters ein. Wir haben schon von vielen Leuten, bereits in Nevada, gehört, dass es hier ein super feines Steakhouse und ein wahnsinns gutes Cafe gibt. Das Steakhouse hat erst am Abend geöffnet, so steuern wir ins Cafe. Voll ist es, und das ist ein gutes Zeichen. Wir bestellen uns feine Burgers und einen frischen Salat. Mmmh, solch super gutes Fleisch haben wir noch nicht oft gehabt – und wir hatten schon viele super feine Burgers auf dieser Reise. Auch der Salat – einfach lecker! Und die Rechnung, einfach Klass… autsch!

Mit vollen Bäuchen fahren wir knapp 7 km aus der Stadt in den Campground an einem schönen Fluss. Unterwegs feiern wir mit ein paar Fotos unseren 3’000sten Kilometer. Wow, so viel hätten wir nicht gedacht… Juppieah, stolz sind wir und sehr froh, dass uns bis jetzt nichts passiert ist und wir so eine tolle Tour geniessen konnten. Doch hinter uns raucht es extrem und die Feuerwehr kommt von allen Seiten, sogar ein Löschheli wird eingesetzt. Wir wissen nicht ob es ein Gebäude ist, oder ob das extrem ausgetrocknete Gras rund um die Plantagen Feuer gefangen hat. Wobei der Rauch sehr schwarz ist – wir nehmen an, irgend ein Gebäude.

Wir sind fast die einzigen auf dem Campingplatz, nur eine Kolonie Pfaue, also die lustigen Vögel mit den langen und wunderschönen Schwanzfedern ist auch hier – es wimmelt nur so von ihnen. Nun wird der Spielplatz ausprobiert, bis Lorin von irgend einem Turm fällt. Wir haben es nicht gesehen, er kommt etwas blass zurück, rundum hängen ihm Holzschnitzel an den Kleidern und er tut so, als wäre nichts gewesen. Er wolle mal eine Pause machen. Später baden wir noch unsere Beine im See – der ist wohl keine 15 Grad kalt – und beim Duschen merke ich, dass Lorin seinen linken Arm nicht zum Einseifen benutzt. Er hat sich wohl doch mehr weh getan, als er sagt. Ja, der Arm schmerzt den ganzen Abend und wir hoffen, dass es doch nichts Schlimmeres ist…

So, und jetzt wollen wir doch dieses extrem gute Steakhouse mal ausprobieren. Wir fahren die 7 km wieder in die Town und setzen uns in das noble, aber nicht zu noble Restaurant. Der extrem freundliche Kellner (aha, der will sein Trinkgeld verdient haben 🙂 labert uns mit extrem hohem Tempo die Specials des heutigen Abends runter. Während dem wirbeln ein paar andere Kellner rund um uns herum und schon steht Wasser, Brot und Butter auf dem Tisch, die Kinder sind mit Farben und Malvorlagen ausgerüstet und einem speziellen Kindertrinkbecher. Huch, wir sind total neben den Schuhen – oder besser neben unseren Sandalen. Wir entscheiden uns für ein Menü für zwei für uns alle vier. Es sei irgend ein grosses Sirloin Steak am Knochen, über 75 Tage abgehangen und einfach ein feines Stück! “Hey, labere uns nicht voll, ich will dieses Stück essen und nicht davon träumen…”

Der Salat jedenfalls verspricht schon mal viel und wir freuen uns auf den Hauptgang. Mit einem richtigen Servierwagen mit “nur” einem Stück Fleisch kommt er angerauscht. Hohoooooo, der Knochen fast länger als Lorins Arm und ein schönes Stückchen Fleisch dran. Schon während er dieses Stück schneidet muss ich meine Mundwinkel abputzen, das Wasser läuft mir schon so richtig im Mund zusammen! Poah, und so schön rosa gebraten… Ich kann nichts mehr schreiben – es war ein Traum! Und dann noch das Dessert – eigentlich hat nur Ariane ein Apfelküchlein bestellt, aber er bringt trotzdem 4 Löffel – und ich bin ihm dankbar dafür (Ariane wohl weniger 🙂 Ein Traum und zum Schluss doch genug für alle. Übrigens, das Restaurant hat sich an diesem Montagabend gefüllt, es ist wohl weit herum bekannt. Kein Wunder haben wir bereits in Nevada davon erfahren! Ich staune, dass die Amis auch solches Essen geniessen. Normalerweise könnte man für diese Rechnung – wohl gemerkt, wir hatten ein Menü für “nur” zwei Personen – vier Mal zu viert anderswo essen gehen… Aber es ist ein absoluter Hammer und ein Genuss pur! Es ist auch ein bisschen unser vorgezogenes Tour-Abschluss-Essen. Wir planen eigentlich morgen in San Francisco zu sein – was wir aber draussen vor dem Restaurant gerade wieder verwerfen.

Also, draussen werden wir wieder von Leuten angesprochen, Hände werden vor Ehrfurcht geschüttelt etc. Wir fragen, ob es nicht doch möglich ist über die Golden Gate Brücke nach San Francisco zu kommen. Unsere Route gemäss Karte führt uns zur Fähre nach Vallejo und mit der Fähre nach SF. Ja, wir sollen doch via Napa, Sonoma und Petaluma an die Küste, das sollte i.O. sein, wird uns versichert. Wir sind motiviert und nehmen nun ca. 150km mehr in Kauf und ein paar Berge dazwischen. Bei unseren Freunden in SF haben wir uns telefonisch für Donnerstag oder Freitag angemeldet. Juhuiii, die Tour geht noch etwas weiter…

Bei Dunkelheit und mit all unseren Lampen ausgerüstet rasen wir die 7 km wieder zurück zu unserem Zelt. Wären wir auf der ganzen Tour in diesem Tempo gefahren, so wären wir wahrscheinlich bereits vor 5 Wochen in SF angekommen…

Wir sind z’fride und zwäg!!!