27.07.2013 Dove Creek – Monticello, Utah

…und es kommt anders als geplant!

Wir stehen heute um 5.00h auf, wollen so der Hitze ausweichen und vor dem angekündigten Regen auf dem primitiven Campingplatz “Devils Canyon” (Teufels Canyon) sein. Ausserdem haben wir heute einige Kilometer zu fahren. Vor uns liegt ein schwieriges Teilstück für Tourenradler, die nächsten 7 – 10 Tage werden eine Herausforderung… Aufstiege bis 14 %, Hitze, lange Distanzen ohne Einkaufsmöglichkeiten, limitiertes Wasser und was noch? Utah wird aber als einer, wenn nicht sogar DER schönste Staat Amerikas angepriesen – und genau diese Schönheit wird uns wohl die Mühe ein bisschen vergessen lassen – hoffentlich.

Ok, alles von Anfang an… Bereits beim Aufstehen weht uns eine steife Brise ins Gesicht. Es ist kühl, angenehm zur gestrigen Hitze. Noch bei Dunkelheit packen wir unsere Sachen, eine Dämmerung gibt es hier kaum, also sitzen wir schon bei schönem Morgenlicht am Frühstückstisch. Was anderes als Haferbrei und Bagels mit Peanutbutter und Konfi? Nein, wir bleiben dabei…

Innert schnellen 2 Stunden sind wir abfahrbereit. Wow, eine gute Zeit, wir werden schneller. Aber oje, nach 20 Metern komischem Gefühl stoppe ich und schaue runter zum Hinterreifen – der erste Plattfuss… Wahrscheinlich habe ich gestern einen von tausenden am Strassenrand liegenden Drähtchen von zerfledderten Truckpneus eingefahren, ein langes Stück. Während der Nacht ist die Luft raus. Also, Gepäck abladen, Hinterrad raus, Schlauch kontrollieren, das Leck ist klein und sofort ausgemacht wo es ist, also Patch drauf, Schlauch einstzen, Reifen wieder auf die Felge, aufpumpen, Gepäck laden und weiter. Gar nicht schlecht, knappe 20 Minuten – und doch steigerungsfähig. Ich will es aber nicht steigern, denn ich brauche nicht unbedingt noch einmal einen Platten 🙂

Bei der Tankstelle und dem Schnellimbiss stoppen wir für unsere Toilette, auf dem Citypark hat es nur Bäume. Dort steht ein beladenes Fahrrad. Es stellt sich heraus, dass ein Norweger, ich habe den komplizierten Namen vergessen, auch in diesem Ort übernachtet hat. Er aber im Motel. Er ist auf dem Weg von San Francisco nach Maine an der Atlantikküste. Vor 4 Jahren ist er von Norwegen nach Australien pedalt, während einem Jahr. Ein erfahrener Radler also und ca. 60 jährig oder etwas mehr. Ein erfahrener Radler der uns vor Utah und seinen schwierigen Teilstücken warnt – wenn das nur gut geht…

Späte als geplant fahren wir doch noch los. Wie gestern rauf und runter, rauf und runter, rauf und runter. Noch beim ersten “runter” rufe ich “stop!”. Hier haben wir unsere ersten 1’000 Kilometer geschafft. Ohne Champagner, ja nicht einmal mit einem Bierchen oder einem Orangensaft, feiern wir diese Leistung – irgendwo “in the middle of nowhere”. Eigentlich nichts Besonderes, einfach ein Tausender mehr unter dem Hintern… Bald schon überqueren wir die Staatsgrenze zu Utah, schon etwas wichtiger für uns. Wow, wir haben Colorado hinter uns gelassen, es war schön hier! Nach ca. 20 Kilometer nimmt der Wind stark zu und unsere Fähnchen biegen sich nicht vom Fahrtwind gegen hinten, nein, sie biegen sich vom Seitenwind gegen rechts. Und in Monticello dreht unsere Route links ab, also voll in den Wind – aber dazu später mehr.

Schon wieder irgendwo im Niemandsland machen wir eine Verpflegungspause, im Windschutz unserer Fahrräder. Die vorbeirauschenden Riesentrucks bringen immer wieder eine Turbulenz in den stetig blasenden Wind. Verpflegt und immer noch guten Willens steigen wir auf und peilen unser nächstes Zwischenziel, Monticello, an. Kurz vor der Stadt passieren wir eine Truck-Waage. Wir sind auch schwertransporter, also rauf auf dieses Ding. Wow, Ariane hat ohne sich selbst, 81 Kilos zu schleppen (mit Lorins Gewicht), ich transportiere 108 Kilos (inkl. Alanis Gewicht) durch die Gegend. Dies kann sich stetig verändern, heute haben wir nicht so viel Wasser und eher wenig Food geladen…

In Monticello stoppen wir beim US Forest Service Büro um nachzufragen, ob es auf dem Campground Wasser gibt – geschlossen. Wir beraten uns was zu machen ist und plötzlich kommt einer aus dem Gebäude und fragt ob alles ok sei. Klar, wir sind ok, aber ob wir dort oben auf dem Campground wohl Wasser finden werden? Ansonsten sind wir dann nicht mehr ok…Ja es gibt Wasser, aber keine warme Dusche – “by the way, seid ihr bei Warmshowers?” fragt dieser. Klar, aber eben, dort gibt es ja keine. Na ja, er sei ein Host, d.h. er bietet wie in Dolores Dave und Belinda, sein Haus zum Übernachten an. Er ist der einzige weit und breit und wir treffen ihn zufälligerweise hier an. Tatsächlich ein Zufall, das Glück meint es gut mit uns.

Wir sollen zu seinem Haus, die Türen sind nicht abgeschlossen, er wisse nicht genau wie sauber es sei, denn er kommt gerade erst zurück von einem zweitägigen Trip.  Ok, hier schliesst man das Haus nicht ab. Wir sollen es uns bequem machen und ja, da ist genügend “richtiges” Bier im Kühlschrank! Hier in Utah sind wir im Mormonenstaat und hier wird kein Bier mit mehr als 3.5 Volumenprozent verkauft. Also, geniesst es noch, es wird lange nichts mehr “jùscht’s” (hier ein Gruss an mein Lieblingsbier “Jùscht’s” Seislerbier, zu kriegen in den Metzgereien von Fleisch&Brau in Düdingen, Alterswil und St. Ursen 🙂 geben hier in Utah, ausser ihr trefft einen wie mich an.

Brians Haus ist eher eine Bruchbude als ein Haus, denken wir zuerst. Aber er ist daran dieses zu renovieren und eigentlich ist es gar nicht ungemütlich hier. Brian kommt bald auch zurück, das herrliche Bier aus Oregon habe ich schon in meiner Hand. Er ist ein ganz netter Kerl, dieser Brian. Ncihts von Schmuddelig oder unordentlich. Er hat den Kühlschrank proppenvoll mit Biogemüse vom Farmersmarkt, ein Gemüsegarten, welcher heute am hellichten Tag von einem Reh geplündert wird (Tatsache), und er ist ein Hobbykoch mit Rezepten aus dem Handgelenk.

Wir bieten Brian an, das Fleisch einzukaufen und er kann uns sein Gemüse servieren. So machen wir uns auf zur Einkaufs- und Stadtrundgangstour. Ein Sandwich im Subway, spielen mit Unfall von Alani (sie hat sich den Fuss verknackst, der ist jetzt ziemlich toll angeschwollen), kurzes Gespräch mit einer netten Schweizertouristin (sorry, habe nicht einmal nach dem Namen gefragt), Einkaufen im mit riesigen Mormonenfamilien vollen Store, Besuch im Visitorcenter, plündern des Bankomaten – das ist das Nachmittagsprogramm. Mit fast zwei Kilo Fleisch, u.a. 6 Entrecôtes, kehren wir zurück. Oh, heute wird wieder mal so richtig feines Fleisch gegrillt!

Brian und ich stehen in der Küche, er zaubert einen frischen Marktsalat mit allerlei Gemüse aus seinen Händen. Zudem eine Pfanne voll Stir Fried Rice mit frischem Gemüse – ach wie lecker! Ich grilliere die vielen Fleischstücke, Brian ist entzückt von meinen Grillkünsten, ich von seinen Reis- und Salatkünsten. Alles wird mit einem mundenden Pinot Noir aus Oregon begleitet. Ein wahrer Festschmaus draussen auf seiner Terrasse!

So, genug für heute, morgen ist auch noch ein Tag. Wir werden wieder ein bisschen schummeln. Brian zeigt uns die Gegend und bringt uns ein bisschen vorwärts. Wow, so ein lieber Typ! Hoffentlich regnet es nicht wie angekündigt – momentan herrscht draussen Dauerregen…

Es geht uns blendend – hoffentlich ist mit Alanis Fuss nichts Schlimmeres, denn auf den nächsten paar hunder Kilometer finden wir wohl kaum einen Doktor, geschweige denn ein Spital…

Übrigens, ganz herzlichen Dank für all eure lieben Gästebucheinträge und Emails. Wir können nicht alles beantworten, aber es freut uns jedes Zeichen von zu Hause und motiviert uns zum Weitermachen, auf der Strasse und im Internet 🙂 DANKE!!!

Bilder von gestern sind auf der vorherigen Seite aufgeschaltet…