20.08.2013 Carson City – Gardnerville

Was für ein Tag…

Heute stehen wir wieder früh auf, ich bin sehr froh, denn in dieser Nacht konnte ich kaum ein Auge zudrücken. Wir durften auf dem Stoffsofa, auf welches wir uns zuerst nicht getraut haben abzusitzen, die Nacht verbringen. Ok, wir sind uns ja vieles gewohnt, wieso nicht mal schlafen auf einem über 30 jährigen Sofa? Aber eben, 30 Jahre gehen schliesslich auch an uns nicht einfach so vorbei. So gibt es nach dieser langen Einsatzzeit gewisse Gerüche und vor allem der ausziehbare und imposante Betteil lässt seinen Bauch, wie viele Männer in diesem Alter, auch langsam hängen. Und genau auf einem solch hängenden Teil habe ich neben Lorin geschlafen. Lorins Fliegengewicht ist für das Sofa noch zu verkraften, er schläft gut. Mein Gewicht hingegen ist für dieses Teil doch schon eine gewaltige Herausforderung. Ich hätte mich genau so gut auf eine zweisprossige Leiter legen können. Die Hauptauflagefläche waren die Rippen und die Knie. Ok, ihr könnt es zu Hause mal ausprobieren. Früher haben doch so Hypnotiseure immer Leute auf zwei Stuhllehnen gelegt und die sind nicht runter gefallen – genau so musste ich diese Nacht verharren, aber ohne Hypnose…

Ok, wir sind um 6.40h raus aus dem Haus und auf der Strasse. In der old Town warten wir auf die Öffnung des gemütlich aussehenden Cafes. Dort bestellen wir kurz später unser Frühstück und während dem wir darauf warten werden wir von Jeanne angesprochen. Sie hat draussen unsere Bikes gesehen und will etwas über unsere Tour wissen. Sie ist so beeindruckt, dass sie uns unbedingt heute Abend in ihrem Haus haben möchte. Da wir noch viel Zeit haben, lassen wir uns dieses Angebot nicht entgehen und sagen spontan zu. Sie wohnt etwa 32 km südlich, also fast auf unserer Strecke.

Super, auch heute ein kurzer Tag und sicher mit einem spannenden Abend. Jeanne sagt noch, wir sollen um ca. 2h bei ihr sein, sie haben einen Pool für die Kinder. Ok, das lässt sich einrichten. Ich schaue mal auf Google Maps nach der Adresse und sehe dort einen riesigen Pool. Na, das kann ja wohl nicht sein und sage den Kindern, sie sollen sich nicht zu fest freuen, vielleicht wurde in der Zwischenzeit noch ein neues Haus mit einem kleinen Pool gebaut.

Wir nehmen es jetzt umso gemütlicher und geniessen das feine Frühstück. Plötzlich kommt ein ca. 65 jähriger Velofahrer rein und zwinkert mir zu. Ja, es ist Steven aus Missouri, ich habe letztes Jahr seine Tagebucheinträge auf www.crazyguyonabike.com gelesen. Und gestern hatte ich einen Gästebucheintrag auf unserer englischen Seite von eben diesem Steve, dass er auch in Carson City sei. Und nun stehen wir voreinander. Er musste letztes Jahr seine Amerikadurchquerung beenden und ist vor knapp 2 Wochen in Montrose zur Vollendung der Durchquerung gestartet. Seine Frau fährt mit dem Auto nach und kann ihm jederzeit kaltes Wasser oder Soda servieren. Genau deswegen verneigt er sich vor uns und sagt, er kann sich nicht vorstellen, die Strecke der vergangenen Tage in Nevada mit zwei kleinen Kindern und vor allem ohne kalte Getränke zu radeln – das sei eine unglaubliche Leistung! Wir plaudern noch kurz und sehen auch noch seine Frau, bevor er sich wieder auf sein leichtes und unbeladenes Rad schwingt. Tschüss Steve, war nett dich zu sehen!

Irgendwann später fahren auch wir los. Wir fahren auf einem 4 spurigen, ziemlich vollen Highway aus der Stadt. In einem Einkaufsmall kaufen wir uns noch einige unnötige aber brauchbare Sachen, bevor es dann auf die Jacks Valley Strasse geht. Eine tolle und wenig befahrene Strasse parallel zum Highway in den Foothills, dafür mit einem ca. 20 Minuten Aufstieg ganz am Anfang. Bald schon fahren wir durch ein wunderbares Villenquartier nach dem anderen. Hier könnte man auch gut leben. Neben dem Haus der Golfplatz, nicht weit zur City und vor allem auch sehr nahe bei einem Skigebiet und unweit des Lake Taho.

In der kleinen Town Genoa mit den herrlich alten Häusern und einer tollen Bar, leider werden wir gerade wieder vor die Türe geschickt, Kinder dürfen hier nicht rein, machen wir eine Glacepause. Auch hier werden uns viele Fragen von verschiedenen Leuten gestellt. Wir schauen noch kurz bei den Candy-Makers, den Bonbon Machern, rein. Die Einwohner dieser Stadt, mehrheitlich sehr gut betuchte, machen bereits fast 2 Monate vor dem Candy-Dance Fest kiloweise Bonbons. Diese Tradition wurde bereits vor 94 Jahren erfunden, damals wurden Candys gemacht, damit man mit dem Verkaufserlös die Strassenbeleuchtung erstellen konnte. Heute wird diese Tradition immer noch aufrecht erhalten, nicht für die Strassenbeleuchtung, nein, für die Finanzierung der Schneeräumung. Dafür werden hier in dieser Town keine Steuern erhoben! Super, was diese Leute, welche wir eher der Oberschicht zuordnen, tun um diese Tradition aufrecht zu erhalten – und Steuern zu sparen 🙂

Nun fahren wir aber weiter durchs ganze Tal zu Jeanne. Sie erwartet uns bereits und wir werden herzlich empfangen. Sie hat ihre ganze Familie zum Nachtessen aufgeboten, zwei Töchter werden die einstündige Fahrt von Reno hierhin unternehmen, die dritte Tochter wohnt nicht weit von hier. Alle kommen wegen uns. Sie sagt, die ganze Familie her zu bekommen sei nicht immer einfach, aber heute wollen alle uns sehen. Super, wir freuen uns. Aber vorerst erhalten wir unsere Zimmer zugeteilt – beide Zimmer mit eigenem Badezimmer versteht sich. Danach geht es in den riesigen Pool – sogar mit Sprungbrett. Lorin sind bei diesem Anblick fast die Augen aus dem Kopf gekullert und es dauert keine Minute, ist er schon drin.

Wir geniessen den Nachmittag. Jeanne bäckt Pizza auf dem Grill – wahnsinns Pizzas. Sie hat ein kleines Cateringunternehmen und ist sich gewohnt zu kochen. Und sie kann es auch! Auf der Terrasse gibt es Bier und für Ariane ein Riesenglas voll Vodka, geschüttelt und nicht gerührt. Die verstehen etwas anderes unter Martini 🙂 Zuerst treffen die beiden Töchter aus Reno ein, die eine hoch schwanger. Morgen ist der Termin und der Bauch ist wirklich kugelrund. Alexandra spricht sehr gut deutsch, sie hat ein Austauschjahr in Deutschland und Österreich gemacht. Grace, die Jüngste beginnt gerade mit ihrem Studium an der Uni. Später kommt auch noch Maria mit ihrer 6 jährigen Tochter Eva. Die Kinder verstehen sich sofort und spielen miteinander. Gegessen wird einfach nebenbei und wo immer man gerade ist – in der Küche, auf der Terrasse… Zuletzt trifft John, das Familienoberhaupt ein. Ein sehr aufgestellter und netter Weinverkäufer – da fehlt natürlich auch ein Schluck Wein nicht 🙂

Ein gemütlicher Abend, ein riesiges Glück dass wir Jeanne getroffen haben und dass wir hierhin durften. Wow, es könnte uns nicht besser gehen!