19.08.2013 Dayton – Carson City

Auch heute erwachen wir ohne Wecker, aber es ist noch nicht 8.00h. Die Sonne scheint nicht, im Zelt wird es trotzdem warm und so stehen wir auf. Der Himmel ist von Wolken bedeckt, rundum sieht es ziemlich schwarz aus. Ohne Frühstück radeln wir los in die Town Dayton, wo wir gerne in ein gemütliches Cafe sitzen und uns einmal mehr die Bäuche mit etwas Feinem füllen möchten. Doch Dayton ist eine Town am Aussterben. Hinter der Hauptstrasse finden wir ganz schöne, alte Häuser. In einem ist eine tolle, authentische Bar aus früheren Zeiten – doch leider ist diese geschlossen – for sale… Wie auch fast alle anderen Häuser in diesem kleinen, alten Städtchen. Ein trauriges Bild und jammerschade für diese Town.

Immer noch auf der Suche nach einem Cafe fahren wir auf der Hauptstrasse hin und her, doch etwas anderes als ein Subway – die berühmte Sandwich-Kette – finden wir nicht. Sie machen auch Breakfast-Sandwiches und da wir keine andere Wahl haben, versuchen wir’s halt mal. Und siehe da, gar nicht übel und vor allem der Kaffee ist mal von der besseren Sorte! Nach dem Frühstück fahren wir zur Gemeindeverwaltung und lassen unsere “Highway 50” Pässe abstempeln. In jeder Town kann man einen Stempel holen und sich dann ein “I survived highway 50” Zertifikat ausstellen lassen.

Nun fahren wir los, auf die kurze, 18 km Etappe nach Carson City. Es beginnt zu regnen, was für diese Region wahrscheinlich eher eine Seltenheit ist. Doch Regen ist eigentlich zu viel gesagt, es tröpfelt ein bisschen und wir werden kaum nass. Schon nach einigen Kilometern fahren wir an einem RV, also Camper, Verkäufer vorbei. Wir nutzen die Gelegenheit und fragen, ob wir mal in einen solchen RV reinschauen können. Klar, ihr könnt in jeden rein wo ihr wollt. Wow, da sind wir mit unserem Zelt schon ziemlich bescheiden unterwegs 🙂 Diese Riesenwohnwagen und -camper sind kleine Appartements. Es ist viel Raum, jedes notwendige und vielleicht auch überflüssige Gerät ist vorhanden, Toilette und Dusche und immer auch ein grosses Doppelbett sind Standard. Wir hätten ein Wohnwagen für uns gefunden, bescheiden aber zweckmässig. Ein Doppelbett, sogar eine erhöhte Schlafkoje für die Kinder, Esstisch, Sofa, Küche und natürlich Dusche/WC und noch eine Türe in die Garage, wo unsere Fahrräder genügend Platz hätten. Sicher könnte ich auch noch das Motorrad mitnehmen. Tja, leider können wir den nicht mitnehmen – Preiswert wäre er auf jeden Fall. Wenn wir hier wohnen würden, dann würde ich mir das bestimmt überlegen…

Weiter geht es auf dem heute sehr verkehrsreichen Highway mit 4 Spuren. Wir haben aber immer genügend Platz auf dem breiten Seitenstreifen und es ist eine kurze und relativ einfache Fahrt, nur zwei kürzere Aufstiege und auch wieder jeweils eine Abfahrt. Kurz vor Carson City hält ein älteres Ehepaar und stoppt uns. Sie sind sehr beeindruckt von unseren Fahrrädern, sind extra umgekehrt und wollen mehr wissen über unsere Tour. Simon war früher in einem amerikanischen Rennrad-Team und fährt auch heute noch jede Woche mindestens einmal mit dem Fahrrad in die Berge – 3’000 bis 4’000 Höhenmeter und über 160 km, das jede Woche und er ist sage und schreibe 72 Jahre alt! Er sieht aus als wäre er höchstens mitte 60… Er hat einmal an einem Wettbewerb, ähnlich wie bei uns das Skiline wo man sehen kann wie viele Ski-Höhenmeter man gefahren ist (Grüessli an Sylvia, Heinz und Dänu :-), teilgenommen und ist in einem Jahr mehr Kilometer geradelt als der Umfang unserer  Erde. Er sagt aber, nie wieder, das ist wie eine Sucht (hallo Sylvia 🙂

Kurz später hält uns ein anderer Herr an und sagt, er habe uns vor ein paar Tagen zwischen Eureka und Austin gesehen – und jetzt hier, nun möchte er unsere Fahrräder sehen und kurz mit uns plaudern. Nette Leute hier! In Carson City haben wir wieder einmal eine Adresse zum Übernachten und schon bald sind wir bei Flynn. Ok, wir haben ja schon vieles erlebt, aber heute mal wieder etwas Neues. Rund ums Haus liegen unzählige Velorahmen,-räder und andere -teile rum. Die Garage ist voll mit Schrott, auf der Holzterrasse neben dem Pool liegt überall “Grümpel” rum und im Haus ist auch nicht wirklich eine bessere Ordnung. Erst einmal sind wir ein wenig geschockt, aber wir erholen uns schnell, denn das Wasser aus der Duschbrause ist ja sauber, im Gegensatz zum schon braun-schwarzen anstatt durchsichtigen Duschvorhang. Flynn ist ein sehr netter Typ und handelt mit anderen Leuten ihrem Schrott. Gutes Geld kann er mit Aludosen machen, aber auch Karton kann er gut verkaufen. Hey Fränzi und Winu, das ist schon fast eine Konkurrenz, jedoch wohnt Flynn auch in diesem Schrott 🙂 Übrigens zusammen mit seiner Frau und ihrer 6 jährigen Tochter, welche wir bis jetzt noch nicht getroffen haben. Wir sind nun im Citypark auf dem Spielplatz und Flynn wird uns mit der Tochter hier treffen, bevor wir zu ihnen fahren und Spaghetti kochen. Wie das raus kommt, das schreibe ich später…

Ok, wir haben nun auch erlebt, wie es in einem ganz einfachen, etwas (sehr) unordentlichen Haushalt zu und her geht. Flynn, Savanna und Aria, ihre Tochter, sind ganz nette und anständige Leute. Flynn träumt von einer Cross-Country Tour auf dem Velo, so wie wir es machen. Savanna wird glaube ich andere Träume haben – eine nette, stille Person aber halt nicht unbedingt die Postur zum Fahrrad fahren. Aria ist ein ganz süsses, 6 jähriges Mädchen welches die Anwesenheit von Alani und Lorin extrem geniesst. Die Kinder planschen im kleinen Pool auf der mit Schrott uberfüllten Terasse. Wir wissen zuerst nicht, ob wir in die aus den 70er Jahren stammenden und dementsprechend etwas verbraucht aussehenden Stoffpolstergruppe sitzen oder doch lieber stehend den Abend verbringen sollen. Aber eigentlich sind wir in den letzten Wochen auf so vielen Randsteinen, alten Ledersesseln, staubigen Stubenhockern etc. gesessen, wieso sollte das jetzt noch eine Rolle spielen? Und überhaupt, wo sollen wir sonst die übrigens ganz leckeren Spaghettis essen? Hier wird vor dem überdimensional grossen Fernseher mit hoher Lautstärke gegessen. Na ja, wir wollen schliesslich nicht nur das Leben der amerikanischen Ober- oder Mittelschicht erleben, hier sehen wir auch mal wie es den weniger betuchten, jedoch nicht unglücklicheren Leuten geht. Und wie gesagt, sie sind sehr nett, grosszügig, interessiert und in ihrer Art und im Detail doch auch ordentlich – wenn auch nur auf den zweiten Blick erkennbar…

Es geht uns gut, morgen nehmen wir den letzten Pass, den Carson Pass der Sierra Nevada Mountain Range in Angriff. Vielleicht sind wir morgen schon drüber oder wir verbringen die Nacht noch kurz vor dem Pass. Mal schauen wie es uns geht und wie gut wir drauf sind…

PS: neue Bilder im gestrigen Beitrag…