13.08.2013 Ruhetag in Ely

Die Nacht war kühl bis kalt, der Morgen wieder sonnig und wunderbar. Wir schlafen für einmal aus, 7.30h ist im Vergleich zu den Radlertagen ist das tatsächlich ein Ausschlafen… Frisch und munter gehen wir in die Reception wo wir eine Limousine, ja genau, eine Stretch-Limo, bestellen. 10 Minuten später fährt diese vor und der Fahrer öffnet uns die Türe. Wow, das ist aber ein Service. Das legendäre Hotel Nevada lässt die KOA Gäste in der Limo abholen. Was für ein Gefühl, wir kommen uns wie Stars vor. Vor dem Hotel wird uns die Türe wieder geöffnet und auch die Hoteltüre wird aufgehalten, so dass wir freie Bahn in die Spielhallen haben. Klar, dieser Service hat ja einen Sinn und wir sind in Nevada 🙂

Wir gambeln aber nicht, sondern gehen direkt ins Restaurant. Hier bestellen wir uns riesige Portionen Hashbrowns (Rösti), Würstchen, Eier, Speck, Toast, Pancakes und natürlich schwachen Kaffee 🙂 Mmh, dieses Frühstück ist wirklich köstlich und wir haben unsere Bäuche wieder übervoll. Beim Verlassen spiele ich noch kurz an einer Gambling-Maschine und verspreche den Kindern, falls ich den Jackpot von $ 322’658.67 gewinne, fahren wir in einem grossen Camper weiter. Doch zu früh gefreut, wir müssen (dürfen) auf den Velos weiter fahren und morgen aufs Cola verzichten. Die eingesetzten und verlorenen 5 Dollar müssen schliesslich wieder rein geholt werden 🙂 Übrigens dürfen die Kinder nicht direkt zuschauen, sie dürfen nicht in die Spielhalle. Aber von der Treppe, welche rauf in die Hotelzimmer führt, können sie mir gut zuschauen.

Nachdem Ariane von einem jungen Typen etwas gar plump angemacht worden ist – er hat sie gefragt, was “you are the most beautiful woman” in unserer Sprache heisst – verlassen wir dieses mit vielen Details geschmückte Hotel. Leider war der Typ nicht Clint Eastwood, denn dieser hat Ariane auf verschiedenen aufgehängten Bildern total Eindruck gemacht und sie wäre ihm ganz gerne begegnet. Hallo, da muss ich wohl aufpassen was für Cowboys hier rum laufen, nicht dass Ariane plötzlich anstatt mit mir und dem Velo mit einem solchen Revolverhelden und dem Pferd los geht… Aber um es vorweg zu nehmen, ich komme heute auch noch zum Flirten 🙂

Wir spazieren gemäss einem Rundgang aus dem Internet durch die Stadt, um die Sehenswürdigkeiten zu begutachten. Tja, hier eine Ruine, da etwas Undefinierbares und anstelle des alten Bahnhofes und einigen alten Häusern sehen wir nur eine Geröllhalde. Schwierig bei dieser Hitze und diesen Enttäuschungen die Motivation hoch zu halten. Doch wir hören das laute Horn eines Zuges und wissen, es ist der Touristenzug. Dieser fährt eine kurze Strecke, vom Eisenbahnmuseum hinauf in die Berge und zurück. Also marschieren wir in diese Richtung. Und wir marschieren. Und wir marschieren. Und wir marschieren immer weiter… Also ich persönlich stelle mir bei einem Ruhetag etwas anderes vor als in der prallen Sonne durch ein ziemlich heruntergekommenes Kaff zu latschen – als absolut einzige Fussgänger notabene. Nach einer gefühlten Ewigkeit finden wir den Zug und das Museum. Die Lok wird gerade abgehängt und enttäuscht nehmen wir zur Kenntnis, dass dieser täglich um 10.30h fährt. Nur eine Fahrt am Tag, ein kleiner – nein, grosser Witz.

Trotzdem besuchen wir das Museum, eigentlich nichts anderes als ein paar ausgeschnittene Papierschnitzel welche in den früheren Büroräumen der Eisenbahnmanager aufgehängt sind. Aber draussen dürfen wir noch ins Depot der Loks. Kein Museum, sondern einfach die Werkhallen der freiwilligen Eisenbahner, welche die alten Dampfloks auf Vordermann bringen. Eine der Loks fährt jeweils am Wochenende und ist immer noch am Auskühlen, es dampft und zischt immer noch und wir haben ja bereits Dienstag. Schöne und eindrückliche, richtige Wildwest-Loks. Der lange Fussmarsch hat sich doch gelohnt. Aber jetzt geht es wieder so weit zurück zum Hotel. Dort genehmigen wir uns noch einen Drink – für einmal eine Margarita, in der Gambling Bar für lächerliche ¢ 99. Die Limo wird wieder bestellt und nun fahren wir standesgemäss wieder zurück. Ich steige auf halbem Weg aus, will noch etwas für unser Nachtessen einkaufen und dann per Autostopp zurück fahren. Guter Plan, doch schlecht geplant…

Das Einkaufen klappt noch bestens. Ich kaufe ein, was das Zeugs hält und achte sicher nicht aufs Gewicht. Etwas Bier, viel Fleisch, viel Limonade, Melone, Gatorade – einfach alles was man sonst nicht kauft wenn man auf dem Fahrrad ist und aufs Gewicht achten muss oder will. Es ist schwer zu tragen und die Kassiererin will mir noch einen Korb geben bis zu meinem Auto. Sorry, ich bin zu Fuss hier! Erstaunter Blick… Also, guten Mutes gehe ich an die Strasse und halte während dem gehen den Daumen raus. Die sind ja hier alle so nett, da hält bestimmt sofort einer an. Ihr denkt jetzt sicher, nun kommt der Moment mit dem Flirten – falsch! Denn es hält weder eine Blondine, noch eine Brünette und schon gar nicht eine rassige Schwarze oder feurige Rote an. Nein, nicht einmal ein stinkender und ungepflegter Glatzkopf oder vollbärtiger Gorilla will mich mitnehmen. Was ist nur mit denen los? Also marschiere ich und schleppe die gefühlten hundert Kilos an der brennenden Sonne dem 3 1/2 Kilometer entfernten Campingplatz entgegen. Da vorne steht der Sheriff, respektive er sitzt in seinem klimatisierten Wagen. Ich klopfe an seine Scheibe und frage schweissüberströmt, was hier eigentlich los ist. Wieso hält hier keiner? Er lächelt, fragt woher ich komme und sagt dem auf der glühenden Strasse, vollbeladenen Schweizer Vollidioten, dass in Nevada ein Gesetz existiert, das das Autostoppen untersagt. “Sorry, I don’t make the law” meint er nur und sagt noch, ich hätte halt dem Fahrer sagen sollen, er solle auf mich warten. Scheibe rauf, so dass nicht noch zu viel Hitze in den laufenden Wagen eindringt…

Also schlarpe ich, ohne Daumen raus, die restlichen 3 Kilometer weiter. Ziemlich nass und erschöpft komme ich beim Campingplatz an. Der Besitzer sagt, er habe sich noch überlegt, ob wir wohl mit den Fahrrädern einkaufen gehen. Aber er sehe jetzt, ich sei ein noch viel verrückterer Typ als er gedacht hat. Zu Fuss ist wohl noch niemand einkaufen gegangen. Das sei halt der Vorteil, wenn man so gut trainiert sei, das könnte hier kaum jemand. Ich sage ihm “it’s not a big deal” und denke – “was bin ich für ein alberner Typ…”!

Doch jetzt ein kühles Bier, Ariane hat mittlerweile die Wäsche gehängt – auch wieder etwas, das hier niemand machen würde, wenn doch der Tumbler neben der Waschmaschine steht. Ich surfe am Schatten noch ein bisschen im Internet, Ariane liest ein Buch und die Kinder spielen mit den Kindern der Campingeigentümer. Extrem wie sie sich mit ihnen unterhalten können. Sie haben in den letzten 5 Wochen viele Wörter aufgeschnappt und können sich nun tatsächlich mit diesen wenigen Wörtern verständigen. Wow, wenn wir nur öfter Kinder in ihrem Alter sehen würden, die würden die Sprache schnell lernen.

Ich koche unser Nachtessen, wieder mal über ein Kilo saftige Rindsmedaillons zusammen mit Kartoffelstock und frischen Tomaten. Zur Vorspeise eine Melone und Chips. Die Kinder können sich kaum still halten und sind bald wieder bei ihren neuen Freunden. Ich kaufe nach dem Essen einen Kaffee – und nun kommts – und flirte noch ein bisschen mit der hübschen Campinginhaberin. Ha, auch ich komme auf meine Rechnung 🙂 Die Kinder schauen auch heute einen Film und sofort danach geht’s in die Tüte.

Morgen erwarten uns 4 Pässe und ca. 120 Kilometer. Aber es geht uns blendend und wir freuen uns auf die Weiterfahrt.