14.08.2013 Ely – Eureka

Ein Monster-Tag endet mit Operngesang und einer Filmcrew…

Um 4.45h stehen wir auf, packen unser Hab und Gut und machen uns um 6.15 auf den Weg, noch ohne Frühstück im Bauch. Ich hoffe auf einen Morgenflirt, doch die Campingchefin hat ihr Versprechen uns auf Wiedersehen zu sagen nicht eingehalten. Ha, da sieht man was man an der eigenen Frau hat, die macht keine leeren Versprechungen. Also mach ich mich halt wie jeden anderen Morgen, ohne Flirt, auf den Weg.

Diesmal fahren wir nicht in der Limo in die Town – auch wird nicht marschiert – sondern es geht mit unseren treuen Fahrrädern dia lange Strasse entlang. Ich erinnere mich fast jeden Meter an gestern, als ich schwitzend und schwer beladen den ganzen Weg – es sind übrigens 4 km!!! – zum Camping gelatscht bin. Hey lieber Greg (siehe Gästebucheintrag), merci für deine Zeilen, aber spüre ich da ein kleines bisschen Schadenfreude aus deinen Worten? Stell dir vor, die Geier kreisten schon über mir, ich weiss nicht um meine bisweilen “gädrigen” Waden anzupicken oder ob sie das von meinem heissen Schweissrücken schon fast gar gekochte Fleisch in meinem Rucksack geriecht haben. Aber mach dich nicht lustig, das war eine gaaaanz ernste Sache! Aus ethischen Gründen kann kein Bild von einem halb lebendem crazy Typen veröffentlicht werden, sorry!

Also, zurück zu heute… Wir stellen nach gut 7 km unsere voll beladenen Räder vor die Limo, welche uns gestern zum Hotel Nevada gebracht hat. D.h. wir gehen noch einmal in dieses Hotel um ein weiteres, leckeres und voll beladenes Frühstücksteller zu geniessen. Für mich gibt es heute ein schönes, blutiges Steak mit Spiegeleiern, Rösti und Toasts. Die anderen essen wie gestern, Pancakes, Toast, Rührei etc… Einfach himmlisch und unsere Energiereserven sind voll.

Um 7.45h geht es unter staunenden Blicken der Harley Fahrer los. Und schon beginnt der 27 km lange Aufstieg. Dieser geht durch eine schöne, grüne Gegend, nicht zu steil und ab und zu mit einem heftigen Gegenwind, welcher sich aber sofort auch in einen Rückenwind verwandeln kann. Wir fahren der Eisenbahnlinie nach und sehen links und rechts in den Hügeln immer wieder Gesteins- und Sandhügel von früheren Minen. Plötzlich vor uns einen riesigen künstlichen Berg mit Riesen-Monster-Lastwagen die rauf und runter fahren. Hier wird immer noch eine Mine betrieben, aber heutzutage im Tagbau. Wow, unheimlich die Landmassen welche da verschoben werden.

Nach genau 34 km sind wir auf unserem ersten Summit, wie sie hier die Übergänge zum nächsten Baisin nennen. Bei uns wäre es einfach ein Pass. Das obligate Summit Bild wird noch ganz frisch und munter geschossen. Wir geniessen die Abfahrt und sehen vor uns die laaange gerade Strasse durch das nächste Baisin bis zur nächsten Mountain Range. Ich schaue auf meinen Kilometerzähler und die Gerade ist genau 12 km lang. Nichts Besonderes eigentlich, aber wenn es zuerst runter geht und dann wieder rauf, da werden 12 km die man immer vor Augen hat, ziemlich lang.

74 km nach unserem Start in Ely steigen wir schwitzend und keuchend und mit leerem Magen auf dem nächsten Summit von den Rädern. Sofort packen wir unsere Essenstasche ab und suchen nach dem verdienten Lunch. Ein Auto hält etwas weiter vorne an, zuerst beachten wir es kaum. Doch als wir ein breites Berndeutsch hören, da drehen wir schon unsere Köpfe. Vater, Mutter und Sohn Wüthrich mit vielleicht bald Schwiegertochter aus der Nähe von Eggiwil stehen bald neben uns. Sie geben uns Wasser und zwei ach soooo feine Cola Flaschen. Unsere Körper schreien förmlich nach Zucker und da gibt es nichts Besseres als eine Coke! Wir schwatzen eine Weile über ihre und unsere Reise, im schönsten Berndeutsch und das tut auch wieder einmal gut! Liebe Familie, ihr habt uns mit eurer Verpflegung über die Berge geholfen, unsere 15 Liter Wasser hätten nur ganz knapp, wenn überhaupt bis zum Schluss ausgericht! Merci und schöne Reise!

Für uns geht es auch wieder weiter, wo wohl hin? Ja, ins nächste Baisin. Dieses ist noch ein bisschen breiter, diesmal 20 km direkte Sicht auf die ganze Strecke. Stellt euch vor, Autobahn Rubigen – Thun und ihr seht die ganze Strecke vor euch. Nun kennt ihr ungefähr die Distanz, der zeitliche Aufwand auf dem Velo könnt ihr euch selber vorstellen – und es ist nicht so flach wie nach Thun… Ein weiterer Summit, wenn nur ein kleiner oder nicht so hoher, aber dennoch anstrengender, erreichen wir 94 km nach unserem Start. Normalerweise springen wir alle von unseren Rädern fürs Foto, nun sind es nur noch drei, eines von uns ist zu müde und stellt sich als Fotografin zur Verfügung. Es ist heute übrigens ziemlich heiss…

Wieder ein 10 km Baisin und vor der nächsten und anscheinend anstrengensten Steigung des Tages setzen wir uns unter einen Baum. Jawohl, wir haben tatsächlich einen Schatten spendenden Baum gesichtet. Noch einmal Zuckernachschub, viel Wasser und mit viel Überwindung geht es noch einmal aufs Rad. Es wartet ein 20 km Aufstieg auf uns. Wir haben sehr schwere Beine und überhitzte Köpfe. Freiwillig würde nicht mal eine Eidechse an diese heisse Sonne gehen. Aber wir sind ja schliesslich keine Eidechsen… Es ist mittlerweile 16.30h, uh, es wird wieder spät! Wir kommen gut voran, diesmal mit etwas Rückenwind oder gar keinem Wind. Ist gut fürs Fahren, schlecht für die Kühlung. Schwacher Rückenwind heisst kein Fahrtwind, heisst 1 Meter über dem schwarzen Asphalt ca. 45 oder mehr Grad. Puh, es spritzt nur so aus unserer Haut. Aber wir leeren alle Flaschen welche noch einen Tropfen Wasser haben in uns rein.

Nach gut 1 1/2 Stunden will uns der Berg noch einmal herausfordern. 1 km steigt es noch ziemlich brutal an, unsere Beine schmerzen nun schon fast zu fest um sie noch wahr zu nehmen und unsere Psyche ist eine harte Nuss um sie noch im Griff zu haben. Aber wir schaffen es. Oben können wir erst gar nicht vom Velo steigen, zuerst einen Moment einfach stehen bevor wir das Bein heben um vom Velo zu steigen. Doch es gibt noch ein Gipfelfoto bevor wir runter nach Eureka sausen. Eine kurze und schnelle Abfahrt, wir haben es nach 8 Stunden 15 Minuten reiner Fahrzeit geschafft, unterwegs, also mit Pausen, waren wir genau 12 Stunden! Bravo Kinder, ihr seid unglaublich tapfer, wir sind sehr stolz auf euch!

Eureka, diese kleine Stadt empfängt uns mit wunderbaren Häusern aus der Zeit der Minenarbeiten. Ein herrliches Opernhaus haben die sogar. Wir stoppen und werden sogleich zum ersten Operngesang seit 10 Jahren in dieser Town eingeladen. Tja, wir stinken, sind schmutzig, sind am Verdursten und haben Hunger – und vor allem noch keine Ahnung wo wir schlafen werden. Im ersten Motel buchen wir das letzte Zimmer und duschen uns in nur 10 Minuten, ziehen unsere schönsten Kleider an und gehen zur Oper. Wir werden schon empfangen und natürlich ausgefragt. Nur kurz später sitzen wir in der alten und schönen Oper und hören einer extra eingeflogenen und -gefahrenen Opernsängerin aus Los Angeles zu. Wieso das alles? Eine englische Filmcrew fährt mit ihren Land Rovern ausschliesslich auf Dirt(Dreck oder Sand) Roads quer durch die USA und wollen verschiedene Projekte, wie eben dieser kurze Operngesang, durchführen und filmen. Es sind nur ca. 20 Leute anwesend, aber in dieser einstmals 10’000 Einwohner Stadt und heute noch ca. 600 ist wohl das Interesse nach Oper nicht sehr gross. Hier sieht man Cowboys mit Sporen an den Boots und nicht Smoking tragende Leute.

Nach dieser – nach den Kinderohren etwas quietschenden – Aufführung (wir sagen es war erstklassiger Gesang) gibt es im Saloon noch ein feines Essen und dann ab ins Bett (wenigstens die Kids, ich bin am Schreiben und Ariane am Aufräumen). Ein anstrengender, wenn nicht DER anstrengendste Tag überhaupt (132 km und 4 Summits), aber mit einem tollen und einzigartigen Abschluss!

Es geht uns gut und wir sammeln unsere Kräfte für den morgigen > 100 km Tag…