16.08.2013 Austin – Middlegate

Wie jeden Morgen stehen wir früh auf. Wir wollen heute nicht wieder im Gegenwind stecken bleiben. Schnell räumen wir alles auf und fahren runter in die schöne town. Im Cafe essen wir ein reichhaltiges Frühstück, Pancakes, Speck, Eier und einfach alles was dazu gehört. Wir sind gestärkt für die heutigen 100 km oder mehr (am Schluss waren es 105 km)…

Ein deutscher Radfahrer auf seinem Weg von Seattle nach New York spricht uns an und fragt nach den nächsten Etappen. Und er empfiehlt uns die alternative Route, welche 2 Meilen kürzer ist, dafür aber über einen ansehnlichen Pass führt. Es sei auch kein Verkehr auf dieser Strecke und so sind wir überzeugt worden, auch diese Route zu nehmen. Wir fahren zuerst runter und biegen bald von der “lonliest road” in die wahrscheinlich “most lonliest road”. Auf den nächsten 100 km sehen wir höchstens 20 Fahrzeuge. Eine lange Gerade liegt vor uns, 27 km geradeaus. Es ist eine tolle Fahrt, der Morgen erwacht und vor allem haben wir keinen Gegenwind, sogar ein leichter Rückenwind.

Heute haben wir Glück, zuerst können wir einen Kojoten beobachten, danach sehen wir die erhofften wilden Pferde, die Mustangs, später zwei Antilopen und viele Kühe. Diese stehen sogar auf der Strasse und wir müssen sie verjagen. Irgendwann erreichen wir den Beginn einer erneuten Steigung, diese sollte nicht allzu lang sein. Also, gehen wir es an. Ich bin motiviert, wir haben etwas Rückenwind, meine Beine sind i.O. und ich trete stark in die Pedale. Mit einem flotten Tempo, unterstützt natürlich von Alani, fahren wir hoch. Wow, ich komme mir vor, wie unserer ehemalige Spitzenrennfahrer, der Bergfloh Beat Breu. Ha, in meinem inneren Ohr meldet sich sogar der ehemalige Spitzenkommentator des Schweizer Fernsehens, Hans Juker! “Schauen sie da, meine Damen und Herren, wie dieses Team los zieht, sie lassen den anderen keine Chance…” Ha, immer mehr komme ich in Fahrt. Nun sehe ich neben uns immer mehr jubelnde und Flaggen schwingende Zuschauer am Strassenrand – und es werden immer mehr. Dichter und dichter stehen sie, und ich werde immer stärker und stärker! Und der Hans Juker meldet sich wieder: “…unglaublich welche Kräfte hier freigesetzt werden. Schauen sie nur wie die hier rauf ziehen. Heute Morgen bin ich diese Strecke in meinem Fiat 500 rauf gefahren, höher als in den 2. Gang hab ich es nicht geschafft – und die ziehen da einfach so rauf, meine Damen und chrrrrchwusch…” Was ist das jetzt? Hat der Hans etwa vergessen sein langhaariges Wuscheltier über sein Mikrophon zu ziehen? Ah nein, es ist der Wind der sich gedreht hat, sch…! Umso mehr trete ich rein, die imaginären Zuschauer stehen nun auch schon vor uns auf der Strasse, rufen umso lauter und springen erst 1 Meter vor uns auf die Seite. Hier rennt sogar der weissbärtige, schwarz-rote Teufel neben uns her und ich werde immer schneller. Ah, der Bergpreis ist unser, ich erwache aus meinem Traum und stoppe auf dem Summit. Endlich einmal vor Ariane und Lorin auf einem Pass, welch ein Gefühl, danke Hans Juker und Beat Breu, ich hatte Spass mit euch in Gedanken hier rauf zu treten 🙂

Ariane und Lorin kommen nicht viel nach uns an und es geht runter ins nächste Basin. Vor uns eine grosse, weisse Fläche – ist es Sand oder ein kleiner Salzsee? Wir wissen es nicht genau, aber es sieht auf jeden Fall toll aus! Nun liegen wieder ca. 25 km Fläche vor uns und der Wind ist wieder mit uns unterwegs. Der weiss nicht genau was er wirklich will… Aber wir sind froh und nutzen die Gunst der Stunde. Wir geben Gas, fahren nach ca. 18 km aber dann doch in den Gegenwind. Ok, wir akzeptieren das und zum Glück ist er nicht allzu stark. Vor uns liegt nun der nächste, höhere Pass. Es dauert ca. 1 Stunde bis wir wirklich am Berg sind und hier steigt die Strasse zwar stark an, aber der Wind wird schwächer und schwächer. Wir lieben die Bergstrassen mehr als die flachen, geraden Strassen im Basin, vor allem wenn auch noch der Wind gegen einem ist.

Nach der ersten harten Steigung machen wir unsere Mittagspause, hier aber eher kurz, wir wollen möglichst nicht zu spät unser Tagesziel Middlegate erreichen. Also, nehmen wir die 10 km bis zum Summit in Angriff. Wunderschön schlängelt sich die Strasse nicht zu steil rauf, bis 2 km vor dem Summit. Dort fordert uns dieser Berg noch einmal richtig heraus. Poooah, 2 km mit etwa 9 – 10 % Steigung, das ist hart. Doch auch das schaffen wir und zufrieden machen wir uns auf die laaange Abfahrt. Wow, es geht runter und runter – und es wird wärmer und heisser… Lang waren wir nicht mehr unter 1’800 Meter, heute geht’s unter 1’500 Meter. Und hier ist es wirklich heiss!

Schon bald erreichen wir Middlegate, eine ehemalige Station der Pony Express Kuriere. Ein richtig urchiger Saloon mit gutem und viel Food und Getränken. Gemäss den Bildern feiert hier jeweils die Crew von Top Gun ihre Feste. Die Decke ist tapeziert mit Dollarnoten. Wir füllen unsere Bäuche mit Burgers und Süssgetränken, diese können wir nachfüllen so oft wir wollen… Wir verbringen eine lange Zeit hier drin, die Kinder spielen Billard und wir sitzen einfach so rum. Nach 19:00h stellen wir unser Zelt hinter der Bar auf und die Kinder sind schon bald im Schlafsack, frisch gewaschen mit Wasser aus dem Gartenschlauch – wir auch 🙂 Ok, ich gewaschen, noch nicht im Schlafsack, ich sitze hier vor meinem Bierchen in der eigentlich schon lange geschlossenen Bar, aber er lässt mich weiter schreiben und trinken. Es kommen immer noch richtige Originale aus dieser gottverlassenen Gegend rein – ohne Zähne, oder mit etwas krummem Schritt und jetzt noch ein bärtiger, kleiner Typ mit seiner Gitarre. Wow, der spielt und singt aber wunderbar!!! Das ist jetzt wirklich gerade so richtig das Barleben!!! Komm ich wohl noch ins Bett? Ich geniesse es einfach!

Es geht uns allen prächtig!